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Torjäger

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Blog-Nr. 322 Ein Tor als Gesamtkunstwerk. So hören wir die Reporter manchmal schreien und das «Goooooooooooool» hat dann, je nach Sprache, sehr viele Buchstaben, oder wir lesen es, und ich habe es auch schon geschrieben, damals in einem Stadion, wo wir entzückt waren und Tore zur Poesie wurden, zu einem Gemälde, einem Gedicht. Und wir behalten diese besonderen Tore im Kopf, schauen sie immer wieder an, es können Tore sein, über die alle reden, die Fussball lieben, und die Geschichte geschrieben haben, aber auch solche, die nur wenige Augen sahen, auf einer Schulwiese oder irgendeinem Rasen in einem Dorf, ohne Publikum, nur der Schütze hat sie als Erinnerung. Nirgends dokumentierte Tore. Aber jedes Tor hat eine Geschichte. Immer wieder ist es auch eine Zufallsgeschichte. Und manchmal hören wir von einem Tor aus früheren Zeiten, und wir wollen es uns im Kopf vorstellen und haben doch Mühe. So ging es Javier Cáceres, einem brillanten Journalisten der «Süddeutschen Zeitung», der fast sch

Zentimeter

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Blog-Nr. 321 Stadtgeschichten (11) Ich bin schuldig. Keine Ausrede. Mein Fehler. Aber es war nicht einfach, ein Tram kam, ich sah es im Rückspiegel, es war schon nahe, sehr nahe, in der Seefeldstrasse der Zweier, vielleicht der Vierer, einfach ein blaues Tram, und einige Meter davor ein Velofahrer, es war also wirklich eng und knapp, und es pressierte, ein hektischer Moment. Die Lücke war klein, dahinter stand einer, vorne einer, mein Auto musste dazwischen, Stress pur, schon am frühen Morgen, nur wenige Zentimeter blieben hinten, nur wenige Zentimeter vorne und ständig der bange Blick in den Rückspiegel, was da noch näher kommt. Aber irgendwie geschafft. Das Tram jetzt auf gleicher Höhe, aussteigen unmöglich, viel zu eng, der Velofahrer bereits vorbei, ihm – oder war es doch eine ihr? – schien es nicht zu pressieren, die Person im Tram-Cockpit drückte auf die Glocke, schrill der Ton, der Velofahrer – oder sie – davon unbeeindruckt, glücklich radelnd. Und ich einfach nur froh. Eben: Es

Matterhorn

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Blog-Nr. 319 Man könnte an vieles denken nichts schönes, trauriges, anderes, ganz vieles es gäbe genug Gründe, jetzt und man schliesst die Augen, die Aprilsonne wärmt man hört Stimmen, nebenan nimmt aber nichts wahr denkt nur, hört Musik und schaut dann kurz hoch und sieht es, das Horu das einzigartige Matterhorn und weiss, Millionen haben es schon bewundernd angestarrt und oft tagelang nicht gesehen weil es verhüllt war von Wolken und es eignet sich so gut um einfach zu staunen und denken, so schön könnte sie sein, diese Welt wenn nur die Gedanken nicht wären die doch eben da waren als man die Augen geschlossen hatte und gefangen war, von vielem 12.4.2024/fw Fredy Wettsteins Blog «Wieder im Auge»   kostenlos abonnieren , oder  auf Facebook folgen  und lesen.

Intimer Pep

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Blog-Nr. 320 Hautnah dabei. Ein ganzes Jahr lang. In den intimsten Momenten. Wo sonst kein Journalist, keine Kamera sein darf, in einer Zeit, in der Interviews mit Menschen aus der sportlichen, kulturellen oder auch politischen Öffentlichkeit auf jedes Komma hin überprüft, einzelne Worte und auch ganze Gedanken gestrichen werden und ein Gespräch oft entfremdet wird. Nur solche Dokumentationen machen andere Einblicke möglich. Es gibt auf Netflix inzwischen einige, viele sind sehens- und hörenswert, über grosse Namen, Beckham, Figo, Ronaldo, auch andere, nicht nur Fussballer, und das gilt besonders für die neueste Doku, zum ersten Mal über ein grosses Team. Ein Jahr lang, genau in dem Jahr, als Manchester City alles gewann, die englische Meisterschaft, den FA-Cup und zuletzt auch die Champions League, das Triple also, gewährte der Klub für ein offenbar siebenstelliges Honorar Eindrücke über das innerste Leben der Mannschaft, «Together: Tre3ble Winners» heisst sie, es gibt sechs Folgen. U

Sucht

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Blog-Nr. 318 Ich bin süchtig. Hoffnungslos süchtig. Die erste Nachricht am Morgen, kaum habe ich das Handy in der Hand, ich bin noch ziemlich verschlafen, kommt von Silvana, gestern war es Lisa, vorgestern, wenn ich mich richtig erinnere, von Mary, vielleicht war es auch Marianne oder Sarah. Aber eigentlich ist der Name gar nicht so wichtig, nur ihre Botschaft schreckt auf, es ist keine morgendliche Liebeserklärung. Im Gegenteil. Ich werde gewarnt. Mit nur einem Satz: Mein Aufstieg sei in Gefahr. Ich sei nicht mehr unter den ersten Sieben. Und nur die ersten Sieben könnten aufsteigen. Immerhin kennt sie meinen Namen: Fredy. Ich hatte ihn ihr mal anvertraut, und sie – ob Silvana, Lisa, Mary oder Marianne oder doch Sarah, es gab auch schon andere Namen, immer waren es aber Frauen, der Kreis meiner Unbekannten ist gross – muss ihn gleich notiert haben. Und ja, «Lieber» schreibt sie dazu, immerhin. Aber sie warnt mich. Und macht mich hellwach. Handy in der Hand steige ich aus dem Bett, sch

Tipi da spiaggia

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Blog-Nr. 317 Es begann mit einer SMS. «Ich muss mit dir reden», schrieb Luca, der Architekt, seinem Freund Bruno, dem Werber, und bevor dieser sich Gedanken machen konnte, was denn so dringend sein könnte, kam bereits die nächste Nachricht: «Es ist dringend. Nichts Schlimmes.» Bruno verstand noch weniger: Dringend, aber nicht schlimm? Etwa neu verliebt? Bruno wusste, Luca hatte es ihm beim letzten Treffen nach dem dritten Espresso gesagt, er denke an eine Trennung, denn er habe, seine Augen leuchteten dabei, was bei ihm noch kaum je vorkam, kürzlich jemanden kennengelernt, einen Namen nannte er nicht – aber plötzlich so dringend? Luca? Trennung? Er kennt ihn doch von einer anderen Seite, er ist einer, der in seinem Leben nie etwas überstürzt getan hat, privat und beruflich und selbst beim Kauf eines neuen Autos, allerdings auch fast nie um Rat fragt. Er kann, bei aller Freundschaft, verschwiegen sein. «Wo wollen wir uns denn sehen und wann? Morgen beim Espresso in unserem Bistro?» schr

Gedanken

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Blog-Nr. 316 Ein Gedicht – und dazwischen aufgeschreckt ­­­ ­ Schwebend. Mit Gedanken schönen und anderen wie ein Schmetterling in der Frühlingsluft ­­­Aus der ­­­­­« NZZ », in einem Leitartikel: «Europa muss aufrüsten, um den Frieden zu erhalten – das wird uns teuer zu stehen kommen.  Aber es gibt keine Alternative,  wenn wir weiter in Sicherheit leben wollen.» Sie geniessen den Moment nur das Wasser vor Augen mal blau, mal grau, mal grün es umspült die Gedanken Aus der «Zeit» in einem Interview mit Joschka Fischer, der 1998 der erste grüne Aussenminister von Deutschland wurde: «Ich hätte mir auch nicht vorstellen können, dass ich mich einmal für Aufrüstung aussprechen würde, sogar für nukleare Abschreckung. Stellen Sie sich das mal vor! Aber so ist die Lage.» Und die Gedanken kreisen im Wind und erwärmen sich weil sie Wärme brauchen in dieser kalten Welt Aus dem «Tages-Anzeiger» , ein Kommentar zur einer Aussage  Donald Trumps, es werde ein Blutbad für das ganze Land geben, sofern e